Hans-Josef Fell ist der Auftaktreferent am 21. Herbstseminar «Siedlungs- und Arealentwicklung mit Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien» vom 26. November 2015 an der Bau+Energie Messe in Bern. Nebst 40 Kongressveranstaltungen für Fachleute, Investoren und Hauseigentümer präsentieren 350 Aussteller an der 14. Bau+Energie Messe vom 26. bis 29. November energieeffizientes Bauen, Modernisieren, Haustechnik und Holzbau. Neu findet die Parallelmesse Bauen+Wohnen statt. Der Veranstalter ZT Fachmessen AG hat sich mit dem deutschen Energieexperten und Präsidenten von Energy Watch Group über die Lage der Kohle- und Gaskraftwerke, Erneuerbare Energien und den Atomausstieg in Deutschland unterhalten.
Wie beurteilen Sie die Lage der Kohle- und Gaskraftwerke in Deutschland? Wieso wird nicht ein forcierter Ausstieg aus der CO2-Wirtschaft angegangen?
Fell: Die Elektrizitätskonzerne haben entgegen dem politischen Willen für Klimaschutz noch im letzten Jahrzehnt in Kohle- und Erdgaskraftwerke investiert, aber so gut wie fast gar nicht in Erneuerbare Energien. Diese massiven Managementfehler büssen heute die Konzerne bitterbös mit immer grösseren Verlusten. Neue fossile Kraftwerke sind mit den Erneuerbaren Energien nicht konkurrenzfähig. Ökonomisch ist der beschleunigte Ausstieg längst da, aber noch wird in vielen Weltregionen krampfhaft versucht, den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu bremsen und mit immer neuen Subventionen das alte Energiesystem künstlich am Leben zu erhalten.
Wie erobern die Erneuerbaren Energien die Weltmärkte?
Fell: Die Ausbaugeschwindigkeiten für Erneuerbare Energien übertreffen alle bisherigen Prognosen, vor allem weil Solar- und Windkraftwerke heute wesentlich kostengünstiger sind als neue konventionelle Kraftwerke. In China, USA, Südamerika, beginnend auch in Afrika ist die Ausbaudynamik enorm. In wenigen Jahren werden die Erneuerbaren Energien nicht nur im Neubau die alten Energien verdrängen, sondern auch den Bestand.
Welche Anreize erachten Sie für die rasche Umsetzung der Energiewende als sinnvoll/wichtig?
Fell: Die Erneuerbaren Energien müssen ihre Vorteile auch wirklich ausspielen dürfen und nicht künstlich mit Belastungen verteuert werden. Zudem braucht es eine unterstützende Genehmigungspraxis und keine überzogenen Auflagen beispielsweise im Naturschutz, die bei Investitionen in Erneuerbare Energien teilweise höher liegen als beim Strassenbau oder Rohstoffabbau.
Ist die bisherige Energiepolitik für eine Energiewende nicht mit zu hohen Kosten verbunden?
Fell: Die Universität Erlangen/Nürnberg hat nachgewiesen, dass die Stromrechnung in Deutschland etwa 11 Mrd. Euro teurer wäre, wenn es den Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht gegeben hätte, selbst ohne Umlegung der externen Schadenskosten. Nicht die Erneuerbaren Energien sind mit hohen Kosten verbunden, sondern fossile und atomare.
Werden in Deutschland alle Atomkraftwerke bis ins Jahr 2022 abgestellt?
Fell: Ja, die Gesetzeslage ist eindeutig. Für eine erneute Laufzeitverlängerung wird es keine Mehrheiten mehr im Bundestag geben.
Was muss politisch geschehen, um negative Folgen einer Energiepolitik, wie z.B. hohe Kosten, vermehrte Auslandabhängigkeit, zu vermeiden?
Fell: Die hohen Kosten der Energieversorgung mitsamt ihren gesellschaftlichen Schadenskosten sowie die belastende Energieimportabhängigkeit Europas können nur mit einer schnellen Umstellung auf 100 Prozent Erneuerbare Energien, unterstützt durch Energieeinsparung, beendet werden. Dafür braucht es auch in Europa eine klare politische Richtung anstelle der aktuellen Bestandsschutzpolitik für die alte Energiewirtschaft.
Weitere Informationen:
www.bau-energie.ch