Fossile Energien belasten nicht nur das Klima, sondern inzwischen auch das Portemonnaie. Ihre Preise sind dieses Jahr markant gestiegen und dürften vorerst hoch bleiben. Gut, dass sich immer weniger Menschen in der Schweiz darum zu kümmern brauchen. Denn die Zukunft gehört dem klimaneutralen Heizen mit regionalen erneuerbaren Energien.
Während der Klimakonferenz in Glasgow wurde der Climate Change Performance Index 2022 präsentiert. Der Report vergleicht jährlich die Klimaschutzaktivitäten von 60 Ländern, die zusammen für mehr als 90 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Die Schweiz ist im neusten Ranking um einen Platz auf Rang 15 zurückgefallen – eine Folge des Neins zum CO2-Gesetz. Denn nun fehlt der nationalen Klimapolitik ein klarer Kompass.
Dass die Schweiz als eines der reichsten Länder beim Engagement für den Klimaschutz nicht besser abschneidet, ist ernüchternd. Trotz ihrer finanziellen Ressourcen nimmt sie, anders als etwa die skandinavischen Länder, keine Vorbildfunktion wahr – zumindest auf nationaler Ebene nicht. Die Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, 2030 noch halb so viel CO2 auszustossen wie 1990. Bisher beträgt der Rückgang aber erst 14 Prozent. Für die restlichen 36 Prozent bleiben weniger als zehn Jahre Zeit. Mit den aktuellen Massnahmen ist das Reduktionsziel nicht zu schaffen.
Zwar erhalten National- und Ständerat mit der Revision des Energie- und des Stromversorgungsgesetzes die Möglichkeit, die erneuerbaren Energien stärker voranzubringen. Doch dieser politische Prozess und die anschliessende Umsetzung der neuen Vorgaben brauchen viel Zeit. Umso wichtiger sind daher rasche energiepolitische Massnahmen in den Kantonen und Gemeinden sowie konkrete klimaschonende Projekte.
Rasch handeln im Gebäudebereich
Besonders gut eignet sich dafür der Gebäudebereich. Hier fällt gemäss dem Bundesamt für Umwelt rund ein Viertel der gesamten Treibhausgase der Schweiz an. Immerhin setzt sich die Erkenntnis durch: Das Heizen mit fossiler Energie wie Heizöl ist ein Auslaufmodell. Es belastet nicht nur das Klima, sondern bedeutet auch stark schwankende Kosten und sorgt für eine
hohe Abhängigkeit von den Lieferstaaten. Die Zukunft des Heizens ist deshalb erneuerbar – zumal die Ressourcen dafür direkt vor der Haustür liegen. Jetzt geht es darum, sie zu nutzen. Die nötigen Technologien sind längst ausgereift. Sie ermöglichen, beim Heizen drei Ziele gleichzeitig zu erreichen: Klima und Umwelt zu schonen, die hohe Versorgungssicherheit zu bewahren und bei den Kosten über den gesamten Lebenszyklus mit fossilen Heizsystemen mitzuhalten.
Bei Neubauten sind nahezu klimaneutrale Heizlösungen schon seit mehreren Jahren der Standard. Erfreulicherweise halten sie nun immer mehr auch bei Bestandsbauten Einzug. In den Medien wird vor allem über Luft- und Erdsonden-Wärmepumpen als Heizungen der Zukunft berichtet. Doch es gibt noch viele weitere klima- und umweltschonende Lösungen. Gerade in verdichteten Gebieten haben Energieverbünde für ganze Areale oder Quartiere gegenüber Einzelheizungen oft gewichtige Vorteile. Als Energiequellen eignen sich etwa regionale Holzschnitzel, Grünabfälle oder die Abwärme von Rechenzentren. Für das Heizen der Zukunft geht es also auch darum, weiterzudenken – nicht bloss die erstbeste Lösung zu suchen, sondern die beste.
Seewasser – ein erstklassiger Energieträger
Ein besonders grosses Potenzial bietet das Heizen mit Seewasser. Der breiten Öffentlichkeit ist kaum bewusst, welch riesige Energiespeicher die Schweizer Seen sind. Unabhängig von der Jahreszeit liefern sie genügend Energie, um zahlreiche Gebäude zu heizen und bei Bedarf auch zu kühlen. Weil das Seewasser in der Tiefe abgepumpt wird, bleibt seine Temperatur ganzjährig weitgehend konstant. Auf Fauna und Flora wirkt sich die Energiegewinnung aus den Seen nicht negativ aus. Gemäss dem Verband Fernwärme Schweiz könnten allein die Schweizer Gewässer bei konsequenter Nutzung bis 2050 die Hälfte der Nachfrage nach erneuerbarer Fernwärme abdecken, etwa 8.8 Terawattstunden pro Jahr.
Die renommierte Zürcher Energiedienstleisterin Energie 360° setzt schweizweit solche Energieverbünde um – zum Beispiel im Stadtzürcher Quartier Tiefenbrunnen: Ab 2024 wird in 20 bis 30 Metern Tiefe Wasser aus dem Zürichsee gefasst und in die unterirdische Energiezentrale am Zürichhorn geleitet. Dort wird dem Wasser über Wärmetauscher Energie entzogen, wodurch es sich um einige Grad abkühlt. Anschliessend sorgen Wärmepumpen dafür, dass die Fernwärme die zum Heizen benötigte Temperatur erreicht. So können künftig rund 3 500 Personen in 1 700 Wohnungen nachhaltig heizen. Der Verbrauch an fossiler Energie sinkt um 20 Gigawattstunden pro Jahr, der CO2-Ausstoss um 4 500 Tonnen.
Nicht nur heizen, sondern auch kühlen
Einige Kilometer weiter am Zürichsee realisiert Energie 360° ein Projekt der besonderen Art: In Meilen stellt die Delica AG Guetzli und Glace her. Für ihre industriellen Prozesse braucht das Unternehmen Kälte. Die Energie dafür liefert wiederum Wasser aus dem Zürichsee. Der Clou an diesem Projekt: Bei der Kälteproduktion entsteht Abwärme, die sich für einen Energieverbund mit rund 100 angeschlossenen Gebäuden verwenden lässt. So nutzt die innovative Energielösung von Energie 360° das Seewasser zuerst zum Kühlen und dann zum Heizen.
Neben Seewasser eignen sich genauso Grundwasser und Flüsse als Energieträger für Energieverbünde. In Wohlen bei Bern setzt Energie 360° auf das Wasser der Aare, die hier zum Wohlensee gestaut wird. 800 Haushalte des Ortsteils Kappelenring profitieren von der lokalen und
erneuerbaren Wärme. Rund 3 000 Tonnen CO2 spart der Energieverbund jährlich ein.
Wertschöpfung in der Schweiz
Diese Beispiele zeigen: Die Transformation im Wärmebereich hin zu erneuerbarer Energie bringt viele Vorteile. Das Heizen der Zukunft wird dadurch weitgehend klimaneutral, sauber und effizient. Hinzu kommen volkswirtschaftliche Effekte. Bei Investitionen in klimaneutrale statt in fossile Heizsysteme bleibt die wirtschaftliche Wertschöpfung im Land und fliesst nicht länger in die Förderländer von Erdöl und Erdgas ab. Das lokale Gebäudetechnikgewerbe erhält wertvolle Impulse, die gerade in der Zeit nach Corona wichtig sind.
Positiver Nebeneffekt: Die Unabhängigkeit von Förderländern von fossilen Energieträgern – beispielsweise russischem Erdgas – wird beschleunigt.
Alle Hauseigentümer*innen, die auf eine solche zukunftssichere Lösung setzen, profitieren auch individuell. Sie erhöhen den Wert ihrer Immobilie, zahlen keine oder deutlich weniger CO2-Abgabe und heizen zu planbaren Kosten.
Zusammenspiel aller Akteure
Damit die Transformation im Wärmemarkt schnell genug voranschreitet, braucht es ein gutes Zusammenspiel aller involvierten Akteure. Dazu gehören unter anderem Immobilien- und Arealbesitzerinnen, Industriebetriebe, Städte, Gemeinden, Energieversorger innen, Planerinnen, Architektinnen und Gebäudetechnikerinnen. Jeder dieser Beteiligten spielt eine wichtige Rolle.
Energie 360° sieht ihre Aufgabe darin, die Partner*innen zu vernetzen und bei integralen Energielösungen je nach den Bedürfnissen der Auftraggebenden sämtliche Schritte zu übernehmen – von der Planung über die Realisierung und die Finanzierung bis hin zum Betrieb.
Rahmenbedingungen schaffen
Das Engagement vieler privater und öffentlicher Player im Wärmemarkt stimmt zuversichtlich, dass der Anteil der erneuerbaren Energien beim Heizen rasch zunimmt. Die Entwicklung in diese Richtung lässt sich nicht mehr aufhalten. Trotzdem ist es wichtig, als Gesellschaft zusammenzustehen und auch auf politischer Ebene förderliche
Rahmenbedingungen für klimaneutrales Heizen zu schaffen. Denn so wird die eingeleitete Transformation erleichtert und weiter beschleunigt – zum Wohl der heutigen Bevölkerung und erst recht der kommenden
Generationen.