Das Baukonzept muss von Anfang an das Thema Energie aufgreifen
Herr Graf, wer daran denkt, ein Gebäude aus Holz zu erstellen, wird sich zuerst einmal fragen, ob die Gefahr eines Brandausbruchs nicht zu hoch sei. Ihre Antwort?

Ist das wirklich die erste Frage? Stehen nicht Fragen in Zusammenhang mit Wohlbefinden und Wohngefühl sowie mit Kosten-Nutzen bzw. nachhaltiger Investition vor? Brandschutz  und Holzbau wurde in den letzten Jahren intensiv erforscht. Sowohl das Brandverhalten wie auch die notwendigen vorsorglichen Massnahmen sind heute bestens bekannt und erlauben ein sicheres Bauen mit Holz. Der Stand der Technik liefert dazu klare und sichere Antworten, die auch von den Gebäudeversicherungen anerkannt sind. Zahlreiche gebaute Beispiele in der Schweiz zeugen davon.

Welche Vorteile bietet der Bau mit Holz gegenüber dem üblichen Betonbau?
Ich möchte vermeiden ein Material gegen das andere auszuspielen. Als Werkstoffingenieur habe ich ein Interesse die Baustoffe dort einzusetzen, wo sie Sinn machen. Für gewisse Applikationen hat Holz eindeutige Vorteile. Zum Beispiel überall, wo mit hohem Vorfertigungsgrad Qualität und Effizienz erhöht sowie Bauzeit reduziert werden kann, oder wenn das Gewicht eine Rolle spielt wie z.B. bei Aufstockungen, und weiter auch wenn das Wohnklima wichtig ist. Radikale Materialisierungen machen kaum Sinn. Viel gescheiter ist es, wenn die Baustoffe nach Eigenschaft in hybriden Bauweisen zusammengebracht werden.

Kann man Holzbauten punkto Energieeffizienz so gut bauen wie Bauten aus anderen Materialien?

Die Energieeffizienz ist nicht primär mit der Materialisierung verbunden. Für eine energieeffiziente Bauweise ist primär wichtig, dass das Baukonzept von Anfang an das Thema Energie aufgreift. Holz bietet allerdings einige Vorteile gegenüber Stahl oder Beton. Unter anderem können die lokale Versorgung, die tiefe Masse und die entsprechend tiefe graue Energie erwähnt werden. Und Holz ist ein nachwachsender Rohstoff mit einer neutralen CO2 Bilanz.

Betonbauten halten Hunderte von Jahren. Auch Holzbauten?
Es gibt genügend Beispiele von Holzbauten, welche mehr als hundert Jahre alt sind. Aber die wichtige Fragen lauten eher: wie lange sollte ein Gebäude halten? Wie flexibel soll ein Bauobjekt gebaut werden? Wenn wir die bestehende Bausubstanz anschauen, sehen wir lauter Objekte welche in Massivbauweise in den letzten fünfzig Jahren erstellt wurden. Diese halten wohl noch eine Weile, genügen jedoch nicht mehr den aktuellen Anforderungen und müssen mit viel Aufwand saniert werden. Der Holzbau bietet diesbezüglich grosse Vorteile: Dank Systembau mit Holz kann rasch und flexibel umgebaut und saniert werden. Die Bedürfnisse verändern sich mit der Zeit stark. So wie wir heute bauen, werden wir in dreissig Jahren kaum mehr bauen. Ein Gebäude sollte demnach mehr leisten als hundert Jahre zu halten. Es muss den Umständen entsprechend einfach und kostengünstig angepasst werden können. Dafür ist der Holzbau besonders geeignet.

„Holz“ gibt es ja vielerlei. Welche Holzarten sind für den Hausbau besonders geeignet?

Da kommt es auf den Anwendungsbereich an. Für das Tragwerk wird heute hauptsächlich Nadelholz verwendet. Es laufen zurzeit Europaweit einige Forschungsprogramme, die sich mit dem Thema der Verwendung von Laubholz für statische Zwecke auseinandersetzen. Im Fassadenbereich werden hauptsächlich Lärche, Eiche oder Robinie wegen ihrer natürlichen Dauerhaftigkeit eingesetzt. Im Innenausbau werden unterschiedliche Nadel- und Laubhölzer verwendet. Dort stehen eher gestalterische Elemente im Vordergrund. Kurz gesagt: jede Holzart ist verwendbar, sei es mit Massivholz oder mit Holzwerkstoffen basierend auf Furnier, Fasern oder Spänen. Wichtig ist auch hier, dass die Eigenschaften mit den Anforderungen übereinstimmen.

Was halten Sie persönlich von den Häusern im Blockhausstil, die da und dort, vor allem in Ferienorten, gebaut werden?
Es wie für bei den Materialien: Jeder Baustil hat seine Berechtigung und mach Sinn, wenn richtig eingesetzt. Blockhäuser haben eine lange Tradition. Der Blockhausbau hat sich aber weiterentwickelt. Moderne Produktions- und Montagetechniken ermöglichen heute eine qualitativ hochwertige Vorfertigung, die bis zu komplett gefertigten Bausätzen führt. Wenn der Kontext stimmt, passt der architektonische Stil der Blockhäuser, so z.B. in Gebirgsregionen. Im urbanen Umfeld sehe ich persönlich den Blockausstil weniger gut passend.

Welches sind neue Entwicklungen und Tendenzen im Holzbau?

Wie bereits bei der ersten Frage erwähnt, sind die meisten Fragen im Bereich Brandschutz geklärt. Die aktuelle Forschung beschäftigt sich unter anderem mit Fragen des Schallschutzes, des Bauens im Bestand, der hybriden Bauweisen, der wirtschaftlichen und ökologischen Effizienz sowie der Produktions- und Fertigungstechnik. Insbesondere beim Bauen im Bestand sehe ich grosse Chancen für den Holzbau. Das Thema der Verdichtung ist in aller Munde. Dort muss Holz eine zentrale Rolle spielen.

Woran wird an der Fachhochschule Biel in Sachen Holz geforscht?
Einzelne Themen habe ich oben bereits erwähnt. Ergänzen kann ich noch die ganze Materialforschung und die Schnittstelle zur Architektur. Unsere Materialforscher beschäftigen sich mit der Entwicklung von leichten und öko-effizienten Bauprodukten, von effizienten Verbindungs- und Verklebungstechnik und von innovativen und nachhaltigen Baustoffen. Besonders wichtig scheint uns aber die Schnittstellen zur Architektur und zur Produktion. Dort investieren wir seit einigen Jahren viel Energie und entwickeln in Lehre und Forschung spannende Projekte. Wir versuchen dabei die Grenzen des klassischen Holzbaus zu sprengen und verbinden es mit modernen Planungs- und Produktionswerkzeugen. Die Vision ist ein integrierter, flexibler und effizienter Prozessfluss der die gesamte Kette Planung-Produktion-Aufbau-Umbau und Rückbau abdeckt. Das Potential ist riesig und die Zusammenarbeit zwischen Architekten und Ingenieuren macht enorm Spass.

Es gibt Fenster aus Metall, Fenster aus Plastik. Ist Holz im Fensterbau noch konkurrenzfähig?
In der Schweiz gibt es nebst den erwähnten Beispielen vor allem noch Fenster aus Holz und Metall, welche die Vorteile beider Materialien vereinen. Die Frage ist immer: welches Produkt für welchen Markt? Es ist kaum sinnvoll mit Holz-Metall-Verbundsystemen den Billigmarkt anzugreifen. Die kurzfristig billigste Lösung ist PVC, keine Frage. Wer aber etwas weiterdenkt, erkennt im Holz-Metallfenster ein dauerhafteres Produkt und investiert in Langlebigkeit und Qualität. Ich bin deshalb überzeugt, dass es für Holz im Fensterbau einen sinnvollen Markt gibt. Die Frage der Margen in diesem Marktsegment ist eine zentrale Frage. Ich kenne viele Fensterbauer und Schreiner, die unzählige Aufträge haben. Sie schaffen es aber immer noch nicht anständige Preise für ihre Leistung zu verrechnen. Da scheint der Markt trotz boomender Bauwirtschaft etwas zu versagen.

Die Sanierung des Gebäudeparks ist eine wichtige Aufgabe. Wie kann Holz bei Sanierungen eingesetzt werden?
Den Punkt habe ich oben bereits erwähnt. Wobei nicht nur die Sanierung betrachtet werden sollte, sondern genereller das Bauen im Bestand. Wenn der Bedarf nach Sanierung aufkommt, sollte gut überlegt werden, ob „nur“ energetisch saniert wird, oder ob es nicht sinnvoller wäre, das gesamte Gebäudekonzept zu überprüfen. Dabei gilt es insbesondere die Themen der Verdichtung, der Aufstockung und des Raumprogramms unter die Lupe zu nehmen. Holz als flexibler und leichter Baustoff ist für das Bauen im Bestand besonders geeignet. Mittlerweile erlauben es die modernen Produktionstechniken Einzelfertigungen hoch automatisiert und kosteneffizient herzustellen. Somit werden Zeit, Kosten und Qualität gleichzeitig optimiert.

Informationen zur Schweizer BauHolzEnergie-Messe 2014:
Datum: Donnerstag 13. bis Sonntag 16. November 2014
Ort: BERNEXPO, Bern, Schweiz – Hallen 3.0, 3.1, 3.2, 2.1 Freigelände,
Kongresszentrum

Themen:
Bau, Holzbau: Gebäudehülle, Fassaden, Wärmedämmung, Fenster
Energieeffizienz: Minergie, Minergie-P, -A; Passivhaus, Plusenergie-Gebäude
Erneuerbare Energien: Sonnenenergie, Holzenergie, Wärmepumpen
Haustechnik: Trinkwasser, Sanitär
Innenausbau: Bad, Bade-Welten, Küchen, Innenarchitektur
Neutrale Beratung: Beraterstrasse/Energie, Informationsstrasse Bau/Holz,
Kompetenz-zentrum Minergie

Aussteller: Rund 400 Firmen, Institutionen, Schulen, Verbände, öffentliche Hand
BesucherInnen: Rund 20’000 interessierte Fachleute und Private
Kongress: Kongressprogramm: ca. 40 Events, Vorträge für Baufachleute,
Private, Bauherrschaften

Infos: BauHolzEnergie AG, Monbijoustrasse 35, CH-3011 Bern, Schweiz
Maria Bittel: +41 31 381 67 41 / maria.bittel@bauholzenergie.ch
Thomas Tellenbach: +41 31 318 61 10 / thomas.tellenbach@bauholzenergie.ch
Jürg Kärle: +41 31 318 61 12 / juerg.kaerle@bauholzenergie.ch