Die Gasversorgung der Schweiz fusst gegenwärtig noch schwergewichtig auf Erdgas. Um die Schweizer Klimaziele zu erreichen, muss der fossile Energieträger durch erneuerbares Gas abgelöst werden. Ein Schritt in diese Richtung: Dank einer Erweiterung – der Methanisierung von CO2 und Wasserstoff – lässt sich die Produktionsleistung von Biogas-Anlagen markant erhöhen. Eine Machbarkeitsstudie des Aargauer Energieversorgers Eniwa AG erläutert die ökologischen Vorzüge dieses Verfahrens bei kleinen und mittelgrossen Anlagen ebenso wie die ökonomischem Erfolgsbedingungen.
Die Eniwa AG mit Sitz im aargauischen Buchs versorgt rund um Aarau mehr als 100’000 Kundinnen und Kunden in rund 30 Gemeinden mit Energie, Wasser und Glasfaserverbindungen. Rund die Hälfte der Energie liefert Eniwa in Form von Gas. Der Grossteil ist heute noch fossiler Herkunft (‹Erdgas›), acht Prozent stammen aus erneuerbaren Substraten (‹Biomethan›). Ein wichtiger Lieferant für das erneuerbare Gas ist die Biogas- Anlage ‹Swiss Farmer Power› in Inwil (LU), an welcher Eniwa beteiligt ist. Ein Teil des Bedarfs wird durch Importe gedeckt.
Die Netto-Null-Strategie des Bundesrats stellt Eniwa und andere Schweizer Gasversorgungsunternehmen vor gewaltige Herausforderungen. «Im Jahr 2050 werden wir nur noch klimaneutrales Gas liefern. Wir müssen die inländische Produktion massiv ausbauen. Zusätzlich wird es auch Importe
von erneuerbarem Gas brauchen», so Samuel Pfaffen, Leiter Unternehmensentwicklung bei Eniwa. Während der Gasabsatz aufgrund der Substitution der Wärmeerzeugung durch Fernwärme und Wärmepumpen insgesamt zurückgehen wird, nimmt der erneuerbare Anteil zu. Eniwa steht also vor der Aufgabe, in den kommenden Jahren deutlich mehr erneuerbares Gas zu beschaffen.
CO2 WIEDERVERWENDEN, KREISLÄUFE SCHLIESSEN
Erneuerbares Gas wird heute in landwirtschaftlichen und industriellen Biogas-Anlagen (unter anderem bei Abwasserreinigungsanlagen) durch Vergärung von organischen Stoffen erzeugt. In vielen Fällen wird das dabei entstehende Rohbiogas in einem Blockheizwerk in Strom und Wärme
umgewandelt. Ist ein Netzanschluss vorhanden, kann das Gas auch eingespeist werden. Hierfür muss das im Rohbiogas enthaltene Kohlendioxid vorgängig abgetrennt werden. Übrig bleibt der Energieträger Methan (CH4), der mit Erdgas identisch ist, aber als ‹Biomethan› bezeichnet wird, da er auf organischen Substraten basiert.
Die Abtrennung von CO2 aus dem Rohbiogas und die Abgabe in die Atmosphäre ist klimapolitisch nicht sinnvoll. Eine Alternative besteht darin, das CO2 durch Beigabe von (erneuerbarem) Wasserstoff (H2) zu erneuerbarem Gas zu ‹veredeln›. Pilotanlagen im Hybridwerk in Solothurn und bei der Zürcher Kläranlage Werdhölzli haben die Tauglichkeit dieses Verfahrens grundsätzlich bestätigt (vgl. BFE-Fachartikel ‹Alles nutzen, was im Klärgas steckt›, abrufbar unter www.pubdb.bfe.admin.ch/de/publication/download/8736. Im Winter 2021 / 22 wird die Technologie beim Limmataler Regiowerk Limeco in Dietikon (ZH) erstmals im industriellen Massstab zum Einsatz kommen.
ENIWA-PROJEKT IN REINACH
Eniwa ist am Limeco-Projekt beteiligt – und möchte die Technologie zur Methanisierung von CO2 aus Rohbiogas nun möglicherweise auch selber zur Umrüstung ihrer bestehenden Biogas-Anlage bei der ARA in Reinach (AG) nutzen. Dieser Zielsetzung dient eine vor kurzem abgeschlossene
Machbarkeitsstudie unter dem Namen ‹BioBooster›, die vom Bundesamt für Energie finanziell unterstützt wurde. Die Biogas-Anlage in Reinach erzeugt aktuell 2.6 GWh Biomethan pro Jahr. Wird das im Rohbiogas enthaltene CO2 methanisiert, wären es künftig 4.3 GWh. Der Zuwachs würde grob geschätzt für die Versorgung von 85 Vier-Personen-Haushalten im Einfamilienhaus reichen und entspräche rund 5 Prozent der Menge, die Eniwa heute an Biomethan liefert. Wenn sich das Verfahren bewährt, soll es zudem in der zukünftigen Biogas-Anlage in der Telli in Aarau in grösserem Massstab zum Einsatz kommen.
Die Studie mit Beteiligung der Ostschweizer Fachhochschule (OST) und der Firma microbEnergy Gmbh (Schwandorf / D) hat die Machbarkeit der Methanisierung bestätigt. Im vorliegenden Fall wird die biologische Methanisierung mittels Mikroorganismen (Archaeen) genutzt (vgl. Textbox). Ein Labortest mit Klärschlamm der ARA Reinach war erfolgreich. Erstaunlich dabei: Die Methanisierung durch Mikroorganismen kann auch nach langen Stillstandszeiten innert Minuten von Null auf volle Leistung hochgefahren werden. «Die Anlage arbeitet damit sehr flexibel», betont Samuel Pfaffen. Diese Flexibilität macht es möglich, den für die Methanisierung benötigten Wasserstoff dann zu produzieren, wenn ‹überschüssiger› Wind- oder Solarstrom zur Verfügung steht. So entsteht erneuerbares Gas, das ins Gasnetz eingespeist werden kann und dort fossiles Gas substituiert. «Power-to-Gas ist eine hoffnungsvolle Technologie zur Schliessung der Winterlücke», sagt Pfaffen.
HOHE KOSTEN
Ob Eniwa das Projekt in Reinach realisiert, ist noch offen. Grund sind die hohen Kosten. Eniwa verkauft das Biomethan aktuell mit einem Aufpreis von sieben Rappen / kWh. Biomethan aus einheimischer Produktion darf laut Pfaffen zwar etwas mehr kosten als importiertes Biomethan, muss aber bezahlbar bleiben. Wegen des hohen Einkaufspreises von erneuerbarem Wasserstoff (aktuell circa 20 Rappen / kWh), liegen die Gestehungskosten für Biomethan aus der Reinacher Kleinanlage im günstigsten der untersuchten Szenarien bei 25 Rappen / kWh, also etwa doppelt so hoch wie der Zielpreis von Eniwa, der bei circa 12 Rappen / kWh liegt.
Die Preiskalkulation im ‹BioBooster›-Projekt ist eine Momentaufnahme und bezieht sich auf Methanisierungsanlagen kleiner und mittlerer Grösse (unter 300 Nm3 Rohbiogas pro Stunde). Bei grösseren Anlagen sind tiefere Gestehungspreise möglich. Der entscheidende Faktor für die Wirtschaftlichkeit der Methanisierung – so eine weitere Erkenntnis des Projekts – ist der Marktpreis für erneuerbaren Wasserstoff. Dieser könnte in Zukunft dank grösserer Elektrolyse- Anlagen und günstigerem Wind-und Solarstrom auf das Niveau von nichterneuerbarem Wasserstoff (heute im Bereich von fünf bis neun Rappen / kWh) sinken. «Dieser günstige Wasserstoff wird dann grösstenteils importiert werden, da in der Schweiz auf absehbare Zeit zu wenige Betriebsstunden mit ‹überschüssigem Strom› zur Verfügung stehen, um Elektrolyseure wirtschaftlich zu betreiben», sagt Pfaffen.
BIOLOGISCHE METHANISIERUNG
Seit 2015 wird bei der Abwasserreinigungsanlage (ARA) im aargauischen Reinach Biomethan ins Gasnetz eingespeist (circa 25 Nm3/h). Ausgangsstoff ist das im Faulturm der ARA erzeugte Rohbiogas. Dieses Rohgas besteht im wesentlichen aus Methan (circa 60 Prozent und CO2 (circa 40 Prozent). Damit das Biomethan ins Netz eingespeist werden kann, wird das Rohbiogas durch einen Membran-Filter (physikalischer Filter) der Schweizer Firma Apex geleitet (vgl. BFE-Fachartikel ‹Biogas-Veredelung im kleinen Massstab, abrufbar unter www.pubdb.bfe.admin.ch/de/publication/download/9813). Alternative Verfahren zur Entfernung des CO2 sind die chemische Absorption (Aminwäsche), die Druckwechseladsorption, die Druckwasserwäsche, die physikalische Absorption und kryogene Verfahren. Bisher wird das abgeschiedene CO2 an die Atmosphäre abgegeben. Dank der biologischen Methanisierung kann das Kohlendioxid zusammen mit erneuerbarem Wasserstoff ebenfalls in erneuerbares Gas (und Wasser) umgesetzt werden. Dies geschieht über einen Stoffwechselprozess in Mikroorganismen (Archaeen), der bei einem Druck von neun bar und einer Temperatur von 65 Grad Celsius abläuft. Das hierbei entstehende Methan hat eine Reinheit von über 96 Prozent und erfüllt damit die Voraussetzung zur Einleitung ins Erdgasnetz. Es gibt alternative Methanisierungsverfahren, die laut Pfaffen aber noch tiefere Technologiereifegrade aufweisen. BV
HINWEISE
Der Schlussbericht zum Forschungsprojekt ‹Bioboost – Flexibler Biogas-Booster› ist abrufbar unter: www.aramis.admin.ch/Texte/?ProjectID=45241
Auskünfte zum Projekt erteilt Dr. Sandra Hermle (sandra.hermle@bfe.admin.ch),
Leiterin des BFE-Forschungsprogramms Bioenergie.
Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Bioenergie finden Sie
unter: www.bfe.admin.ch/ec-bioenergie.