In Winterthur wird seit bald 30 Jahren an der Entwicklung von Brennstoffzellen-Geräten gearbeitet, die Erdgas in elektrischen Strom und Heizwärme umwandeln. Mit einer neuen Gerätegeneration will die HEXIS AG den elektrischen Wirkungsgrad nun merklich auf rund 50 % steigern, bei einem Gesamtwirkungsgrad von über 90 %. Seit Anfang Juni 2018 stellt ein Demonstrator mit 1,5 kW elektrischer Leistung die Funktionsfähigkeit des Konzepts unter Beweis. In Feldversuchen sollen nun Erfahrungen gewonnen werden, bevor das neue Gerät auf dem Markt angeboten wird.

Moderne Grosskraftwerke wandeln Erdgas in grossem Massstab in Strom und Wärme um. Auch in der Schweiz sind leistungsfähige Wärme-Kraft-Koppelungsanlagen im Einsatz, zum Beispiel zur Verwertung von Biogas aus Landwirtschaft und Industrieabfällen. Gas lässt sich aber auch im kleinen Massstab in Strom und Wärme umwandeln. Hierfür wird vorzugsweise die Brennstoffzellen-Technologie herangezogen. In der Schweiz sind rund Hundert Brennstoffzellen-Geräte in Betrieb, in Deutschland – wo die Technologie staatlich mit bis zu 12’000 Euro pro Gerät gefördert wird – einige Tausend. Diese Zahlen nehmen sich immer noch bescheiden aus im Vergleich zu Japan, wo bereits rund 200’000 Brennstoffzellen-Geräte verkauft wurden, mehr als die Hälfte vom japanischen Hersteller Panasonic.

Von «Galileo» zu «DaVinci»
In der Schweiz hat die Brennstoffzellen-Technologie in Winterthur ein angestammtes Zuhause. Dort wurden seit 1989 in den Labors der Sulzer AG keramische Brennstoffzellen (Solid oxid fuel cell/­SOFC) entwickelt, welche mit hohen Betriebstemperaturen von 850 °C arbeiten (im Gegensatz zu den Niedertemperatur-Brennstoffzellen etwa von Panasonic; vergleiche Textbox «SOFC versus PEMFC»). 2006 machte sich die Brennstoffzellen-Abteilung von Sulzer in der neu gegründeten HEXIS AG selbständig. 2012 wurde HEXIS zur Hälfte und 2015 schliesslich ganz durch den deutschen Hersteller von Heiz- und Kühlsystemen Viessmann übernommen. Ende 2013 brachte HEXIS mit «Galileo» ihr erstes kommerzielles Brennstoffzellen-Gerät auf den Markt, von dem bis im vergangenen Jahr 300 Stück gebaut wurden.

Zur Zeit arbeitet HEXIS an einer neuen Gerätegeneration, die 2019 unter dem Namen Vitovalor (interner Arbeitstitel «Leonardo») auf den Markt kommen soll. Daraus soll dann später mit weiter gesteigerten Leistungsdaten ein Gerät mit dem Arbeitstitel «DaVinci» hervorgehen, für dessen Vermarktung – anders als bei «Galileo» – ausschliesslich die Muttergesellschaft verantwortlich sein wird. Die zentrale Neuerung der neuen Generation liegt beim elektrischen Wirkungsgrad: Dieser soll von 35 % («Galileo») auf 50 % («DaVinci») angehoben werden. «Die Produktion von Strom gewinnt ständig an Bedeutung und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschaftlichkeit unserer Geräte», begründet Dr.-Ing. Andreas Mai, Leiter Forschung & Entwicklung bei HEXIS, den Vorzug eines höheren elektrischen Wirkungsgrads der neusten Brennstoffzellen-Geräte. Auch andere Hersteller setzen auf die Vorteile eines hohen elektrischen Wirkungsgrads.

Dampf statt Sauerstoff
«DaVinci» nutzt dieselbe Brennstoffzellen-Technologie wie «Galileo», um das Brenngas in einer elektrochemischen Reaktion ohne Verbrennung in Strom und Wärme umzuwandeln. Als Lebensdauer des Stapels («Stacks») aus Brennstoffzellen-Elementen werden für «DaVinci» 60’000 bis 80’000 Stunden angepeilt, so dass über die geplante Betriebsdauer des Gesamtgeräts von zehn bis 15 Jahren der Stack nur einmal getauscht wird. Um den hohen elektrischen Wirkungsgrad zu erzielen, kommt bei «DaVinci» ein anderes Verfahren zur Herstellung des Wasserstoffs zum Einsatz als noch bei «Galileo»: Wurde dem (entschwefelten) Erdgas bei «Galileo» Sauerstoff beigemischt, ist es bei «DaVinci» nun Wasserdampf. Dies führt dazu, dass die «DaVinci»-Brennstoffzelle unter dem Strich mehr Strom und weniger Wärme produziert als die Vorgänger-Gerätegeneration (vgl. Textbox «Mehr Strom, weniger Wärme»).

Bei der Weiterentwicklung von «Galileo» zu «DaVinci» hatten die Entwickler zwei grosse Herausforderungen zu meistern. Die erste war die Entwicklung eines Dampfreformers mit zugehörigem Katalysator, in dem das Methan-Wasserdampf-Gemisch in Wasserstoff und Kohlenmonoxid umgewandelt wird. Gemeinsam mit einem Zulieferer aus der Automobilbranche wurde ein kompakter Reformer entwickelt, der auf die knappen Platzverhältnisse abgestimmt ist und trotzdem genügend Fläche für den Wärmeübergang bereitstellt. Dank kompakter Bauweise lässt sich die Gerätekomponente thermisch gut isolieren, was bei einer Betriebstemperatur von 850 °C zentral ist für die Effizienz des Gesamtsystems. Die zweite Herausforderung war die Beschaffung einer zuverlässig arbeitenden, kostengünstigen Wasserpumpe, die einen geringen Volumenstrom von gerade einmal 6 bis 8 ml / Minute über eine voraussichtliche Betriebszeit des Gesamtgeräts von bis zu 15 Jahren zuverlässig fördert.

Alterungsresistent und teillasttauglich
Die bisherigen Erfahrungen mit dem Prüfstand, in dem fünf statt der letztlich 50 Brennstoffzellen verbaut sind, stimmen zuversichtlich: Die Dampfreformierung führt nach bisherigen Erkenntnissen nicht zu einer schnelleren Alterung (Degradation) der Brennstoffzellen, was wichtig ist für die Lebensdauer des Gesamtsystems. Zudem ist der elektrische Wirkungsgrad auch im Teillastbetrieb konstant hoch. Das ist von Bedeutung, weil die neue Heizung nicht nur von September bis Mai laufen soll wie «Galileo», sondern über das ganze Jahr. Da im Sommer nur Warmwasser erhitzt werden muss, ist das Brennstoffzellen-Gerät nicht voll ausgelastet und wird daher im (wärmegeführten) Teillastbetrieb arbeiten. Wie «Galileo» wird auch «DaVinci» mit einem Zusatz-Wärmeerzeuger (20 kW-Gasbrenner) ausgerüstet, der im Winter eine hinreichende Wärmeproduktion gewährleistet. «Wenn viel Wärme benötigt wird, produzieren wir auch viel Strom. Das ist zugleich die Zeit, wenn wenig Photovoltaikstrom zur Verfügung steht», sagt HEXIS-Entwicklungsingenieur Thomas Zähringer. Er sieht Brennstoffzellen daher als eine ideale Ergänzung zu Photovoltaik- und Windkraftwerken. In den nächsten Schritten wollen die HEXIS-Entwickler den Reformer nochmals verbessern. Ab 2019 soll das Brennstoffzellen-Gerät bei Testkunden für mindestens ein Jahr im Feldversuch laufen, bevor die Industrialisierung, Zertifizierung und schliesslich die Serienproduktion in Angriff genommen werden. Eine grosse Herausforderung für die Brennstoffzellen-Industrie besteht in der Senkung der Herstellungskosten. Längerfristig schweben HEXIS Systempreise für den Endkunden in der Grössenordnung von 15’000 bis 20’000 Fr. vor (fertig installiert und betriebsbereit inkl. Mehrwertsteuer). Dieser Preis ermögliche einen wirtschaftlichen Betrieb ohne Förderung und werde somit von den Kunden akzeptiert, sagen die Verantwortlichen. Im Verkauf sehen sie das Brennstoffzellen-Gerät zum Beispiel als Alternative zu Solarthermie plus Gaskessel oder auch zum Einbau einer elektrisch betriebenen Wärmepumpe. «Brennstoffzellen-Geräte können aufgrund der hohen elektrischen und Gesamt-Effizienz einen sehr wichtigen Beitrag zu einer dezentralen und umweltschonenden Stromversorgung leisten», sagt HEXIS-Geschäftsführer Dr.-Ing. Alexander Schuler.


SOFC versus PEMFC
Brennstoffzellen existieren in verschiedenen Typen. Sie lassen sich unter anderem nach Elektrolyt, Brennstoff und Leistung unterscheiden. Für die Energie­erzeugung in Gebäuden werden vor allem die Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC) und die Polymerelektrolyt-Brennstoffzelle (PEMFC) eingesetzt. Beide Brennstoffzellen verwenden einen festen Elektrolyten – im Fall der SOFC ist es ein oxidkeramischer Elektrolyt, im Fall der PEMFC
eine Polymermembran. Die SOFC arbeitet bei hohen Betriebstemperaturen
von 650 bis 850 °C, die PEMFC bei tieferen Temperaturen von 40 bis 160 °C. PEMFC werden mit Wasserstoff betrieben, SOFC mit Erdgas. Brennstoff­zellengeräte erzeugen Wärme und Strom bei einem Gesamtwirkungsgrad von 85 bis über 90%.

Mehr Strom, weniger Wärme
Die SOFC-Brennstoffzellen von HEXIS nutzen zur Erzeugung von Strom und Wärme Wasserstoff. Der Wasserstoff wird aus dem zugeführten Brennstoff Erdgas gewonnen, der zur Hauptsache aus Methan besteht. Bei «Galileo», dem älteren HEXIS-Gerät, wird dem Methan (CH4) Sauerstoff (O2) beigemischt; über eine chemische Reaktion (Partielle Oxidation; engl. catalytic partial oxidation / CPO) entsteht daraus Kohlenmonoxid und Wasserstoff (CH4 + 1/2 O2 => CO + 2 H2). Bei «DaVinci» wird dem Methan nun Wasserdampf beigegeben und wiederum über eine chemische Reaktion (Dampfreformierung; engl.: steam reforming/STR) Kohlenmonoxid und Wasserstoff erzeugt (CH4 + H2O => CO + 3 H2). Der Vorteil der Dampfreformierung: Mit der gleichen Menge Methan kann 50 % mehr Wasserstoff erzeugt werden – entsprechend höher ist die Stromausbeute in der Brennstoffzelle. Da ein Teil der produzierten Wärme genutzt wird, um den Prozess der Dampf­reformierung in Gang zu bringen, resultiert unter dem Strich verhältnismässig viel Strom. Dadurch kann der elektrische Wirkungsgrad gegenüber «Galileo» von 35 % auf 50 % gesteigert werden (während der thermische Wirkungsgrad
entsprechend von 55 auf 40 % abnimmt). Die Dampfreformierung ist ein lange erprobtes industrielles Verfahren, und die Brennstoffzellen-Ingenieure in Winterthur hatten in frühen Jahren selber schon dieses Verfahren eingesetzt. Damals aber arbeitete das Verfahren nicht zuverlässig, war relativ komplex und verursachte hohe Kosten für die Bereitstellung des Dampfs (konkret: Reinigung des Wassers und anderem  von Kalzium und Magnesium). Deshalb liess HEXIS damals die Dampfreformierung zugunsten der Partiellen Oxidation
wieder fallen.

Jetzt erlebt die Technologie mit «DaVinci» eine Renaissance: Neu wird das Wasser nicht aus dem Wassernetz zugeführt, sondern durch Kondensation aus der im Abgas enthaltenen Feuchtigkeit gewonnen. Damit ist die Reinigung einfacher als bei Verwendung von Frischwasser. Das neue Gerät arbeitet mit einem geschlossenen Wasserkreislauf und braucht deshalb – ein weiterer Vorteil – keinen Anschluss an eine Wasserleitung.