Das Verteilnetz der WWZ AG (früher: Wasserwerke Zug) an der Luzernerstrasse in Hochdorf (LU) steht beispielhaft für ein städtisches Stromnetz. Das BFH-TI-Projekt geht davon aus, dass die installierte PV-Leistung in diesem Netz von heute 237 auf 647 kWp im Jahr 2035 zunehmen wird.

Photovoltaik-Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarem Strom für den Eigenbedarf liegen im Trend. Viele Hausbesitzer ergänzen ihre Solaranlage mit einem Batteriespeicher, um einen möglichst grossen Teil des nachhaltig erzeugten Stroms selber nutzen zu können. Ein Forscherteam der Berner Fachhochschule hat nun in Kooperation mit zwei Netzbetreibern die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Stromverteilnetze untersucht – und aufgezeigt, ob sich Batterien netzdienlich betreiben lassen.

Ein immer grösserer Teil des Stroms stammt aus Solar- und Windkraftwerken. Deren Produktion unterliegt abhängig von Tageszeit und Wetter grossen Schwankungen. Mit Batterien kann der erneuerbare Strom bis zum Zeitpunkt des Verbrauchs gespeichert werden. Schon heute ergänzen viele Eigenheimbesitzer ihre Photovoltaik (PV)-Anlagen mit einem Batteriespeicher, um einen möglichst grossen Anteil ihres Solarstroms selber verbrauchen zu können. Mit dem weiteren Ausbau der Photovoltaik in der Schweiz dürfte der Einsatz dezentraler Heimspeicher noch erheblich zunehmen. Die Energieperspektiven 2050+ des BFE gehen davon aus, dass langfristig rund 70 Prozent der PV-Anlagen mit Batteriespeichern kombiniert werden.

Das Verteilnetz der Groupe E in Haut de Fiaugères (FR) steht beispielhaft für ein ländliches Stromnetz. Das BFH-TI-Projekt geht davon aus, dass die installierte PV-Leistung in diesem Netz von heute 32 auf 362 Kilowatt-Peak im Jahr 2035 zunehmen wird.

Drei Typen von Verteilnetzen
Ein Forscherteam der Berner Fachhochschule – Technik und Informatik (BFH-TI) in Biel hat in Zusammenarbeit mit zwei Stromnetzbetreibern die Konsequenzen dieser Entwicklung untersucht. Für das Projekt, welches das BFE unterstützt hat, wurden exemplarisch drei Verteilnetze herangezogen: ein städtisches Verteilnetz mit 78 Liegenschaften in Hochdorf (Kanton Luzern), ein vorstädtisches Verteilnetz mit 164 Liegenschaften in Neyruz (Kanton Freiburg), und ein ländliches Verteilnetz mit 19 Liegenschaften in Haut de Fiaugères (ebenfalls Kanton Freiburg). Die Wissenschaftler bildeten die drei Netze in einer Simulation nach. Anschliessend modellierten sie den Netzzustand für das Jahr 2035. Dabei gingen sie davon aus, dass – zusätzlich zu den heutigen Anlagen – bis 2035 ein Viertel aller Dachflächen, die für Photovoltaik geeignet sind, mit einer PV-Anlage belegt wäre. Ferner wurde angenommen, dass zu diesem Zeitpunkt 70 Prozent der Anlagen mit einem Batteriespeicher kombiniert würden. Mit diesen Vorgaben und weiteren Annahmen zum Ausbau von Elektromobilität und Wärmepumpen modellierten die Forschenden der Berner Fachhochschule die drei verschiedenen Verteilnetze für das Jahr 2035. Mit der Netzanalysesoftware PowerFactory wurde dabei abgeschätzt, wie sich verschiedene Betriebsarten von Batteriespeichern auf die Netze auswirken.

Batteriespeicher netzdienlich betreiben
Das Ergebnis des Projekts lässt aufhorchen. «Nicht alle Stromnetze sind heute stark genug dimensioniert, um den gewünschten Zubau an PV-Anlagen aufzunehmen; einige von ihnen könnten 2035 an ihre Belastungsgrenzen stossen», sagt Steffen Wienands, Wissenschaftler an der Berner Fachhochschule. Vor allem in ländlichen Gebieten müssten Leitungen verstärkt werden, damit diese mit den Strommengen grosser PV-Anlagen fertig würden. Die Problematik der Netzbelastung würde auch nicht dadurch entschärft, dass Batteriespeicher zur Eigenverbrauchsoptimierung eingesetzt würden, wie das heute üblicherweise der Fall sei. Steffen Wienands: «Die Betriebsart der Eigenverbrauchsoptimierung liefert keinen Beitrag zur Netzentlastung. Denn wird der Eigenverbrauch optimiert, lädt die Batterie oft nicht zu dem Zeitpunkt mit grösstem Photovoltaiküberschuss (verstanden als Differenz zwischen PV-Produktion und aktuellem Verbrauch). Trotz eines hohen Eigenverbrauchs werden Spitzen bei der Einspeisung von PV-Strom nicht unbedingt vermindert.»

Der Netzbelastung kann entgegengewirkt werden, wenn Batteriespeicher netzdienlich (vergleiche Textbox) betrieben werden. Das gelingt, wenn die Speicher in Zeiten mit grossem PV-Überschuss geladen werden, also wenn die Produktion an PV-Strom den Verbrauch deutlich übersteigt. Dazu hält der Schlussbericht des Forschungsprojekts fest: «Mit dem Einsatz eines netzdienlichen Algorithmus für den Lastausgleich können Überlastungen der betroffenen Leitungen und Transformatoren deutlich reduziert und in vielen Fällen komplett verhindert werden. Auch das Auftreten zu hoher oder zu tiefer Spannungen kann signifikant reduziert, allerdings nicht komplett verhindert werden.»

Das Verteilnetz der Groupe E in Neyruz steht beispielhaft für ein vorstädtisches Stromnetz. Das BFH-TI-Projekt geht davon aus, dass die installierte PV-Leistung in diesem Netz von heute 310 auf 1 320 Kilowatt-Peak im Jahr 2035 zunehmen wird.

Batteriespeicher ist nicht gleich Batteriespeicher
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts machen deutlich, dass dezentrale PV-Einspeisung in den drei Verteilnetz-Typen unterschiedliche Konsequenzen hat. Werden die Dächer eines Bauernhofs mit PV-Modulen bestückt, fliessen mitunter hohe Ströme zum nächsten Netzanschlusspunkt; von einer Überlastung ist in diesem Fall in erster Linie die Zuleitung betroffen. Ähnliche Ungleichgewichte treten in städtischen Netzen mit wenigen grossen PV-Anlagen auf. Bei diesen beiden Netztypen ist es zielführend, den Lastausgleich der Batteriespeicher dezentral zu regeln, also jeweils beim Batteriespeicher.

Anders sieht es bei einem vorstädtischen Netz aus: Hier gleichen sich die Haushalte hinsichtlich PV-Erzeugung und Verbrauch. Zwar kommt es auch in diesem Netz zu Überlastungen, diese betreffen aber in erster Linie Hauptleitungen und Trafostationen. In diesem Fall ist ein zentraler Lastausgleich wirksamer. Dazu könnte man das Ladeverhalten der im Netz verteilten Batteriespeicher von der Leitstelle des Netzbetreibers zentral steuern, wobei die Belastung des Transformators in der Trafostation gemessen und an die Leitstelle übermittelt würde. Die Leitstelle würde die Batterien ohne zeitliche Verzögerung so regeln, dass die Belastung des Transformators möglichst optimal gesenkt wird. Hierbei handelt es sich um ein theoretisches Konzept, das bisher in der Praxis des Schweizer Stromnetzes noch keine Anwendung findet.

Die Unterschiede zwischen den Verteilnetzen haben zur Folge, dass die Batteriespeicher für die Netzstabilität unterschiedlich wichtig sind. Dazu schreiben die Forscher im BFE-Schlussbericht: «Einzelne Batteriespeicher erzielen einen grossen positiven netzdienlichen Effekt, andere wiederum
haben nur einen geringen Einfluss. Je inhomogener die Verteilnetzstruktur ist, desto relevanter sind einzelne Batteriespeicher an relevanten Standorten.»

Steffen Wienands (stehend) zusammen mit einem weiteren Wissenschaftler im «Prosumer Lab» der Berner Fachhochschule – Technik und Informatik in Biel. Hier wurde ein einfacher Algorithmus zur netzdienlichen Steuerung von Batteriespeichern entwickelt und getestet.

Geringer finanzieller Anreiz
Die Wissenschaftler der Berner Fachhochschule haben in ihrer Untersuchung den finanziellen Nutzen eines netzdienlichen
Betriebs von Batteriespeichern für das Verteilnetz quantifiziert. Sie kommen zum Schluss, mit einem netzdienlichen Betrieb der Batteriespeicher könnten Netzverstärkungen (Leitungen, Transformatoren) zwar nicht vermieden, aber doch um mehrere Jahre aufgeschoben werden. Diese Verschiebung wirkt sich günstig auf die Investitionsrechnung der Verteilnetzbetreiber aus.

Würden die Netzbetreiber diesen Vorteil in einen finanziellen Anreiz für Betreiber von Batteriespeichern ummünzen, liesse sich ein Batteriespeicher mit 10 kWh Kapazität um 100 bis 200 Fr. vergünstigen, haben die Forscher errechnet. «Das ist ein relativ geringer Betrag», sagt BFH-TI-Wissenschaftler
Stefan Schori. «Da die Investitionskosten für Batteriespeicher im Vergleich zu Leitungen und Trafos hoch sind und Netzbetriebsmittel zu einem bestimmten Zeitpunkt so oder so ersetzt werden müssen, ziehen Netzbetreiber aus einem netzdienlichen Betrieb von Batteriespeichern finanziell geringe Vorteile.»

Groupe E prüft dynamische Tarife
Anders wäre die Ausgangslage bei Einführung dynamischer Stromtarife. Damit wäre ein finanzieller Anreiz für einen netzdienlichen Betrieb von Batteriespeichern gegeben. Genau in diese Richtung denkt der Energieversorger Groupe E (Granges- Paccot/FR), der am Forschungsprojekt
direkt beteiligt war. «Groupe E wird in einem nächsten Schritt überprüfen, ob ein netzdienliches Verhalten solcher Batterien über stündlich variable Tarife zu erreichen wäre», sagt Peter Cuony, Leiter Produkte bei Groupe E. «So könnte der Verteilnetzbetreiber zum Beispiel am Vortag einen stündlich variablen Bezugs- und Rücknahmetarif auf einer Internetschnittstelle bekanntgeben. Das Energiemanagementsystem der Batterie könnte diesen Tarif konsultieren und damit den Einsatz der Batterie für den Besitzer finanziell optimieren.»

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